Nachdem im letzten Jahr viele Deutsche gezwungenermaßen in ihrem eigenen Heimatland Urlaub machen mussten (#thoughtsandprayers), waren viele Sehenswürdigkeiten, die sonst schon einen beachtlichen Tourist:innenstrom aufwiesen, erst recht überlaufen. Vielleicht ist das in diesem Jahr anders. Aber für den Fall, dass jemand in diesem Jahr schon wieder in Deutschland seinen Urlaub verbringen muss/kann/darf, habe ich eine kleine Liste zusammengestellt, damit man nicht wieder dieselben überfüllten Orte besuchen muss. Denn wenn das letzte Jahr eines gezeigt hat, dann, dass der/die durchschnittliche Deutsche keine Ahnung vom eigenen Land und dessen schönen Ecken hat. Das bedeutet, es gibt immer noch Orte, die kaum jemand kennt. Meistens sind diese Orte etwas kleiner und etwas abgelegener als ihre bekannteren „Geschwister“. Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Besuch.
Der Zweck dieser Liste soll allerdings nicht sein, den großen Sehenswürdigkeiten ihre Anziehung oder Bedeutsamkeit abzusprechen. Sie soll einfach nur eine Inspirationsquelle für all jene sein, die Menschengruppen auch ganz ohne Pandemie anstrengend finden und diese gerne vermeiden würden.
Inhaltsverzeichnis
Barockgarten Zabeltitz anstatt Barockgarten Großsedlitz
In Zabeltitz bei Großenhain kann man nicht nur durch einen wunderschönen Park flanieren, sondern gleich zwei Schlösser bewundern. Das Alte Schloss ist ein Renaissancebau und wurde unter Kurfürst Christian I. von Sachsen (1560-1591) ab 1581 errichtet. Heute befinden sich darin Arztpraxen.
Direkt daneben steht das Palais. Es wurde unter Graf August Christoph von Wackerbarth (1662-1734) errichtet. Er erhielt Zabeltitz 1728 von Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen (1670-1733) als Geschenk. Wackerbarth ließ aber nicht nur ein neues Schlossgebäude errichten, sondern auch einen weitläufigen Barockgarten anlegen. Die Bauleitung hatte der Architekt Johann Christoph Knöffel (1686-1752) inne, welcher bereits Schloss Wackerbarth und den Barockgarten Großsedlitz verwirklicht hatte. Bis heute hat sich die originale Vegetation erhalten. Gerade Linien und akkurat angelegte Lindenalleen prägen das Gesamtbild, welches durch Teichanlagen und versteckte Sandsteinskulpturen abgerundet wird. Ein perfekter Ort um zu flanieren, wie ein Barockfürst. Der Park und das Erdgeschoss des Palais sind kostenfrei zugänglich.
Großer Goitzschesee anstatt Cospudener See
Nichts ist bei steigendenden Temperaturen so verlockend, wie ein Sprung ins kalte Nass. Das Leipziger Seenland bietet schon genug Möglichkeiten dafür. Wer trotzdem noch etwas Abwechslung sucht, sollte seinen Blick Richtung Norden lenken. Denn auch dort liegt ein See, welcher durch den Kohleabbau entstand.
Im Jahr 1998 begann man den ehemaligen Tagebau zu fluten. Er umfasst eine Fläche von 13,32 km². Das ganze umgebende Areal wurde als Naherholungsgebiet ausgebaut mit Seepromenaden und viel Platz für Festivals.
Den Goitzschesee kann man nicht nur von unten genießen, sondern auch von oben. Der Bitterfelder Bogen und der Pegelturm erlauben eine wunderschöne und kostenfreie Aussicht über die Wasserlandschaft. Der Bitterfelder Bogen ist zudem barrierefrei.
Merseburg anstatt Naumburg
Zwischen Halle/Saale und Leipzig liegen sehr viele schöne Kleinstädte mit großer Geschichte. Eine davon ist Merseburg. Wie bei vielen anderen Städten dieser Region liegen auch die Anfänge Merseburgs im Frühmittelalter. Das kleine Merseburger Bistum wurde im Jahr 968 unter Kaiser Otto I. (912-973) gegründet. Der Dom wurde zu Beginn des 11. Jahrhunderts errichtet. Beim Besuch des Domschatzes kann man auch einen Blick auf ein Faksimile der berühmten Merseburger Zaubersprüche werfen. In direkter Nachbarschaft zum Dom steht das Renaissanceschloss mit dem darin enthaltenen Kulturhistorischen Museum. Rund um das Dom-Schlossensemble finden sich noch viele historisch wertvolle Gebäude, die nicht nur von der Stadt als Bischofssitz, sondern auch als Residenz der Herzöge von Sachsen-Merseburg erzählen.
Oranienbaum anstatt Wörlitz
In direkter Verbindung zu Wörlitz liegt der kleine Ort Oranienbaum. Auch hier findet sich ein wunderschön gestalteter Park, der seine besondere Prägung durch den Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) bekam. Die Ursprünge der Schloss- und Parkanlage liegen allerdings schon 100 Jahre früher. Das Schloss wurde in den Jahren 1681 bis 1685 als Sommerresidenz für die niederländische Fürstin Henriette Catharina von Oranien-Nassau (1637-1708) errichtet. Als Architekt berief man Cornelis Ryckwaert († 1693). Er übernahm nicht nur den Schlossbau, sondern auch die barocke Gestaltung des Ortes. Der niederländische Einfluss ist heute noch gut in der Gestaltung des Schlossgebäudes sichtbar. Im Zuge der Bauarbeiten entstand auch ein erster Barockgarten. Dieser wurde in den Jahren 1793 bis 1797 im englischen Stil umgestaltet. In dieser Zeit entstanden die Parkarchitekturen der Pagode und des chinesischen Hauses. Die 175 Meter lange Orangerie an der Seite des Parks wurde im Jahr 1811 errichtet. Sie ist eine der größten ihrer Art in Europa und es werden immer noch Zitruspflanzen darin untergebracht.
Der Park ist kostenfrei zugänglich.
Haus Schminke anstatt Bauhaus Dessau
Auch wenn das Haus Schminke in Löbau kein Produkt des Bauhauses ist, so vermittelt es doch genauso die Gestaltungsideen und neuen Möglichkeiten dieser Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.
Das Wohngebäude wurde im Jahr 1933 für den Nudelfabrikanten Fritz Schminke (1897-1971), dessen Frau Charlotte und ihre vier Kinder gebaut. Da das Ehepaar Schminke sehr dem neuen Stil ihrer Zeit zugeneigt war, verpflichtete es für den Hausbau den Bremer Architekten Hans Scharoun (1893-1972). Aufgrund der Tätigkeit Schminkes und dem schiffähnlichen Aussehen des Gebäudes trägt das Haus Schminke auch den Beinamen „Nudeldampfer“.
Die ehemalige Nudelfabrik aus dem Jahr 1916 steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnhaus. Fritz Schminke leitete die Teigwarenfabrik „Loeser & Richter“ seit dem Jahr 1920. Einige Umbauten der Anlage, wie z. B. der Treppenturm sind auch auf Hans Scharoun zurückzuführen.
Kamenz anstatt Bautzen
Genau wie Bautzen war auch Kamenz ein Mitglied des Oberlausitzer Sechsstädtebundes. Innerhalb des Bundes galt sie allerdings als ärmstes Mitglied. Und auch wenn Kamenz nicht ganz so viele Türme aufweist, wie die Senfstadt, so hat sie doch allerhand zu bieten, wie z. B. eine historische Altstadt. Genauso finden sich schöne Museen, wie das Sakralmuseum in der Klosterkirche St. Annen, das Museum der Westlausitz, das stadtgeschichtliche Museum im Malzhaus und – last but not least – das Lessingmuseum. Dort widmet sich eine schöne kleine Ausstellung dem Leben und Werk des berühmtesten Sohnes der Stadt, Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781). Auch außerhalb des Museums lohnt es sich, der Lessingroute zu folgen. Sie führt zu allen relevanten Orten des Lebens des Dichters innerhalb der Stadt.
Fürst-Pückler-Park Branitz anstatt Fürst-Pückler-Park Bad Muskau
Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871) war so gütig der Nachwelt gleich zwei wunderbare Landschaftsparks zu hinterlassen. Und sie sind beide für einen Besuch zu empfehlen. Der Park in Branitz entstand, nachdem Fürst Pückler den Muskauer Park aufgrund finanzieller Probleme verkaufen musste. Das Stilvorbild für beide Anlagen war der sog. englische Landschaftsgarten, der besonders im 19. Jahrhundert beliebt war. Fürst Pückler hatte diese Art der Landschaftsgärten auf seinen Reisen durch England kennengelernt.
Auch wenn sich beide Parks ähneln, hat Branitz doch etwas, dass Muskau nicht hat: zwei Pyramiden. In der Seepyramide wurden die sterblichen Überreste des Fürsten im Jahr 1871 beigesetzt. Die Landpyramide wurde nie als Grabstätte genutzt.
Gotha anstatt Weimar
Sowohl Weimar als auch Gotha waren Zentren der ernestinischen Wettiner. Wem die Weimarer Fokussierung auch deutsche Dichter und Denker zu viel ist, der fühlt sich in Gotha vielleicht besser aufgehoben. Von 1640 bis 1825 war Gotha die Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg und von 1826 bis 1918 die Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha. (Ja, ich weiß, im heutigen Thüringen gab es einst verwirrend viele kleine sächsische Herzogtümer. Nein, als normaler Mensch muss man da nicht durchsehen.)
Neben der Stadt an sich, beeindruckt besonders die Anlage des Schlosses Friedenstein, die über dem Ort thront. Unterhalb des Schlosses liegt das Herzogliche Museum, welches die umfangreiche Kunstsammlung der Herzöge zeigt.
Schloss Weesenstein anstatt Schloss Moritzburg
Auch wenn Schloss Weesenstein gar kein Jagdschloss ist und sich auch nicht solange im Besitz der Wettiner befand wie Schloss Moritzburg, so muss es sich doch nicht dahinter verstecken. Auf hohem Fels liegt das Schloss und beherbergt neben einer interessanten Baugeschichte, auch wunderschöne herrschaftliche Räume.
Als König Anton von Sachsen (1755-1863) das Schloss im Jahr 1830 kaufte, war es schon gut ausgestattet. Denn seinen barocken Anstrich hatte es schon von den Vorbesitzern, der Familie derer von Bünau bekommen. Sie besaßen das Schloss und die umliegenden Dörfer am längsten. Günther dem Älteren von Bünau wurde mit der Herrschaft Weesenstein im Jahr 1406 von Markgraf Wilhelm I. von Meißen (1343-1407) belehnt, als Dank für seine Unterstützung in der Dohnaschen Fehde (1389-1402). In den folgenden drei Jahrhunderten wurde das Schloss von verschiedenen Mitgliedern der Familie von Bünau umgebaut.
Zu Füßen des Schlosses liegt die Parkanlage, welche von der Müglitz durchflossen wird. Der Park ist kostenfrei zugänglich.
Durch die räumliche Nähe zum Erzgebirge kann man in Weesenstein außerdem gut der Hitze entfliehen. Diese Sommerfrische wusste schon König Anton zu schätzen.
Halberstadt anstatt Quedlinburg
Auch wenn die Vereinten Nationen finden, dass Quedlinburg besser als Halberstadt ist, gibt es doch in Quedlinburg bis auf das Schloss nichts, was Halberstadt nicht auch aufbieten könnte. Mal abgesehen davon, dass Letztgenannte räumlich auch größer ist. Auch Halberstadt verfügt über einen Dom samt Schatz (inklusive beeindruckender Textilien) sowie einer Fülle an socialmediatauglichen, bunten Fachwerkgebäuden.
Die Ursprünge der Stadt sind eng mit der Bistumsgründung durch Karl den Großen (747/748-814) im Jahr 804 verbunden. In dieser frühmittelalterlichen Zeit entstand bereits eine Missions- und Taufkirche. Der heutige Dombau entstand in der Zeit von 1236 bis 1491. Der Eintritt zum Dom ist frei, aber nicht umsonst.
Neben dem Dom gibt es auch noch viele andere schöne Kirchen zu begutachten und auch an kleinen Museen wurde nicht gespart.
Museum Burg Posterstein
Hallo Cindy,
Ich mag dein „x statt y“ Konzept total, sind sehr schöne Tipps geworden!
Viele Grüße,
Marlene
Cindy Hiller
Hallo Marlene, freut mich, dass es Dir gefällt.