Geburtstag: 1200
Einwohner:innen: 15.164
Bekannt für: die Aegidienkirche, eine hübsche Altstadt
Von weitem aus allen Richtungen sichtbar erheben sich die zwei Türme der Aegidienkirche von Oschatz in der Landschaft. Aber das ist nicht alles, was es in der nordsächsischen Kleinstadt zu entdecken gibt.
Inhaltsverzeichnis
Die Stadtkirche St. Aegidien
Das Kirchenhaus wirkt auf den ersten Blick wie eine gotische Hallenkirche. Wenn man es betritt, eröffnet sich jedoch eine modernere Ausstattung, als man vielleicht erwartet hätte. Die Ursprünge der Kirche liegen wahrscheinlich im 11. Jahrhundert. Ein erster steinerner Bau entstand im 14. Jahrhundert. Er wurde allerdings im Jahr 1429 durch einen Hussiteneinfall zerstört. Im Jahr 1443 entstand das Kirchengebäude im Stil der Gotik neu. Ein Stadtbrand im Jahr 1616 zerstörte es wieder. Beim darauffolgenden Wiederaufbau büßte die Kirche einen ihrer beiden Türme ein. Bei einem erneuten Stadtbrand im Jahr 1842 wurde die Kirche nahezu vollständig zerstört. Der erneute Aufbau erfolgte zwischen 1846 bis 1849. Der Architekt Carl Alexander Heideloff orientierte sich stilistisch am langsam beginnenden Historismus seiner Zeit. Das schlägt sich im neogotischen Look der Kirche wieder. Aber es sind auch noch Elemente des späten Klassizismus in Heideloffs Entwurf erkennbar. Prägend für das heutige Stadtbild wurde die Wiedererrichtung zweier Kirchtürme.
Da bei den Stadtbränden viele ältere Kunstgegenstände verloren gegangen waren, wurden auch sie ersetzt. Beim ersten Eindruck des Raumes fällt gleich das Fresko über dem Triumphbogen vor dem Chor auf. Es zeigt Jesus Christus bei der Bergpredigt. Geschaffen wurde es von Carl Heinrich Hermann. Die Kanzel mit Darstellungen der zwölf Apostel und der Altar stammen ebenfalls von Carl Alexander Heideloff. Der Altar lässt sich trotz seiner gotisch wirkenden Flügeln nicht zuklappen. Im Mittelteil ist die Karfreitagsszene abgebildet. Der Hintergrund ist ein Bleiglasfenster mit den Figuren von Maria und Johannes. Plastisch im Vordergrund befindet sich ein Kruzifix. Es stammt aus der Friedhofskirche der Stadt. Bei der richtigen Sonneneinstrahlung fängt der Bleiglasfensteraltar tatsächlich an zu leuchten und erschafft eine ganz besondere Atmosphäre in der Kirche.
Die Türmerwohnung
St. Aegidien verfiel in den letzten Jahren der DDR immer weiter, aber erst nach der Wende konnte mit Hilfe eines Fördervereins und vieler Spenden mit einer umfassenden Sanierung begonnen werden. Bei diesen Sanierungsarbeiten entstand auch eine neue Sehenswürdigkeit in Oschatz: die Türmerwohnung. Einen der beiden 75 Meter hohen Türme darf man besteigen und einen Blick in das Leben der letzten Türmerfamilie Quietzsch werfen. Die Familie lebte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf mehreren Etagen mit zwölf Kindern in luftiger Höhe. Erhalten ist ebenfalls die Schuhmacherwerkstatt des Vaters, denn das Gehalt eines Türmers reichte nicht, um die ganze Familie zu ernähren. Eine der Töchter lebte mit ihrer Familie noch bis zum Jahr 1968 in den Räumlichkeiten. Nach der Ankunft im ehemaligen Wohnbereich bekommt man einen „Rundgang“ durch die Räumlichkeiten und eventuell noch abfällige Sprüche über die Jugend von heute, die angeblich zu schwach für den Aufstieg ist (Sokrates gefällt das). Bei schönem Wetter hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt und die sie umgebende Landschaft. Außerdem kann man einen sehr genauen Blick auf und unter die frisch sanierten Turmhauben und Fialen werfen.
Was gibt’s noch zu sehen?
Kleine Anmerkung: Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich dachte, das wäre allen Lesenden klar, aber bezüglich einiger Mails, die ich so erhalte, scheint dem nicht so zu sein. Falls noch irgendwelche fetzigen Sehenswürdigkeiten fehlen, dürfen diese gerne höflich an mich herangetragen werden. Dann kann ich sie zu gegebener Zeit eventuell ergänzen.
Die Altstadt
Das Alte Rektorat
Das Alte Rektorat fiel dem Stadtbrand 1616 zum Opfer, wurde aber kurze Zeit danach wieder aufgebaut. Es befindet sich neben der Stadtkirche St. Aegidien. Bis zum Jahr 1883 war darin eine Rektoratswohnung untergebracht, danach diente das Haus bis 1934 u. a. als Kirchenkanzlei.
Die Alte Stadtschule
Das Gebäude wurde nach dem Stadtbrand von 1616 wieder aufgebaut und diente bis zum Jahr 1883 als Schulgebäude.
An der Fassade erinnern Gedenktafeln an very important Oschatzis, wie bspw. Carl Gottlieb Hering (obere Tafel, rechts). Er war Konrektor der Stadtschule und komponierte u. a. die musikalischen Banger “Morgen, Kinder, wird’s was geben” und “Hopp, hopp, hopp, Pferdchen, lauf Galopp”. Sein Sohn Constantin (untere Tafel) wanderte in die USA aus und führte dort die Homöopathie ein.
Der Brunnen am Altmarkt
Der Altmarkt ist der Kern der ersten Kaufmannssiedlung aus dem 11. bzw. 12. Jahrhundert. Dieser längliche Platz ist heute etwas unscheinbar abseits des Neumarktes. Während die Westseite inzwischen als Parkplatz dient, befindet sich auf der Ostseite ein schöner Brunnen, der – wie so oft in Kleinstädten – ganz dezent drüber ist. Der Sandsteinbrunnen stammt aus dem Jahr 2003 und wurde vom Oschatzer Bildhauer Joachim Zehme geschaffen. Einzelne Aspekte der Stadtgeschichte sind daran symbolhaft abgebildet.
Der Brunnen am Neumarkt
Auf dem Neumarkt steht dieser schöne Brunnen vom Leipziger Steinmetz Gregor Richter aus den Jahren 1588/89. Er wurde aus Pirnaer Sandstein gefertigt.
Die Klosterkirche
In der Nähe des Altmarktes steht die Klosterkirche. Sie wurde zwischen 1246 und 1248 errichtet, von Hussiten zerstört und nach 1429 wieder aufgebaut. Sie gehörte zum Franziskanerkloster, welches nach der Reformation verfiel und 1835 abgetragen wurde.
Das Rathaus
Das Rathaus wurde 1538 bis 1546 vom Dresdner Baumeister Bastian Kramer erbaut. Zum Eingang des Gebäudes führt eine mit neun Medaillons verzierte Treppe vom Bildhauer Christoph Walther. Auf den Medaillons sind Reliefs des sächsischen Herzogs Georgs des Bärtigen und seiner Frau Barbara von Polen, sowie verschiedene Wappen abgebildet. Nach dem großen Stadtbrand von 1842 war das Rathaus ziemlich stark beschädigt. Gottfried Semper rekonstruierte das Renaissancerathaus und verpasste ihm einen Uhrenturm.
Vor dem Durchgang des Turmes befindet sich ein Korbpranger von 1532 für Feld- und Gartendiebe.
Links oben auf dem Bild hängen auch noch sog. “Flaschen” aus Stein. Frauen bekamen sie umgehängt, um sie für “zänkisches Verhalten” (ergo: nicht dem Patriarchat gefällig) zu bestrafen.
Das Stadt- und Waagenmuseum
Dieses Museum besteht aus einem interessanten Gebäudeensemble. Das Stadtmuseum befindet sich in der sogenannten Ratsfronfeste. Dieses Gebäude entstand 1574 für den Ratsfron, der u. a. Gerichtsverhandlungen verkündete und Urteile vollstreckte. Es befindet sich direkt an der ehemaligen Stadtmauer. Hier erfährt man alles über die geschichtliche Entwicklung von Oschatz.
Daneben gibt es das Waagenmuseum. Die Ausstellung wurde in den letzten Jahren modernisiert und hat Einiges zu bieten. Vor allem darf man hier auch selbst Hand anlegen, sich selbst oder andere wiegen und eine ganze Menge über Maße und Gewichte lernen. Im Stadtmuseum wird schon einiges an Industriegeschichte vermittelt. Doch der Waagenbau hat eine besondere Gewichtung in der Historie der nordsächsischen Kleinstadt, angefangen bei der Gründung der Waagenfabrik der Gebrüder Pfitzer im Jahr 1845 über den VEB Oschatzer Waagenfabrik bis zur heute noch existierenden Oschatzer Waagenfabrik GmbH.
Nach diesen zwei Gebäuden ist die Museumstour immer noch nicht beendet. Das nächste Gebäude, die Amtsfronfeste, stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Zwischen 1553 und 1556 wurde das Gebäude nochmals erweitert. Im Gebäude waren nicht nur die Wohnung des Amtsfron untergebracht, sondern auch die Gerichtsräume und ein Gefängnis. Heute werden in den kleinen Räumen verschiedene Bauernmöbel gezeigt.
In der Amtsfronfeste befindet sich auch der Zugang zum 25 Meter hohen Wachturm. Beide Gebäude bilden inzwischen eine bauliche Einheit. Der Wachturm ist allerdings ein bisschen älter. Er stammt aus dem Jahr 1377. Auch von diesem Turm hat man eine schöne Aussicht. Vor allem fallen die beiden Türme der Stadtkirche St. Aegidien in den Blick.
Den Abschluss des Museumskomplexes bilden die ehemalige Stadtmauer und der dazugehörende Zwingergarten.
Das Vogtshaus
Das Vogtshaus gegenüber der Stadtkirche wurde um 1180 erbaut und gilt als ältester Profanbau Mitteldeutschlands (*hust* ich dachte, der älteste Profanbau Mitteldeutschlands steht in Rochlitz *hust*). Teile der romanischen Architektur kann man an der Fassade erkennen. Das aufgemalte Wappen erinnert an die Zeit von 1544 bis 1843. Währenddessen diente das Gebäude als Siegelhaus der Tuchmacherinnung und wurde auch Tuchmacherhaus genannt.
Altoschatz
In Altoschatz liegt der Kern der Besiedlung der Region. Dort befand sich eine erste Ansiedlung und mehrere frühgeschichtliche Burgen und Wälle.
Die Kirche
Die Kirche in Altoschatz wurde 1330 erstmalig als Pfarrkirche erwähnt, weist aber auch gotische und barocke Erweiterungen auf. Die Kirche besteht aus einem Rundbau, einem Chor und einem Erweiterungsbau. Der Dachreiter wurde im Jahr 1810 vom Oschatzer Zimmermeister Christian Gottlieb Ackermann aufgesetzt.
Cornelius Gurlitt brachte die Theorie auf, dass es sich bei dem Rundbau um einen sog. Karner, eine Kapelle mit einem Beinhaus, handeln könnte.
Das Rittergut und das Herrenhaus
In Altoschatz befand sich seit dem 17. Jahrhundert ein Rittergut. Das Herrenhaus wurde 1715 errichtet und ist in echt tollem Zustand.
Der Bahnhof Oschatz-Süd
Durch Oschatz fährt die Döllnitzbahn. Damit gefahren bin ich leider noch nicht. Auch das Eisenbahn-Postkartenmuseum, dass sich in diesem Gebäude befindet, habe ich noch nicht besucht.
Erinnerung an André Kleinau
Eine Tafel auf der Rückseite des Bahnhofs erinnert an André Kleinau, der dort am 27. Mai 2011 von fünf Männern schwer misshandelt und blutend liegen gelassen wurde. Am 01. Juni 2011 erlag André Kleinau seinen Verletzungen in einem Krankenhaus in Leipzig. Die fünf Täter kamen vor Gericht. Das einige der Täter der rechten Szene zumindest nahe standen, André Kleinau obdachlos war und sich daraus ein Motiv ergeben könnte, sah das Landgericht Leipzig leider nicht ein. Wir sind hier schließlich immer noch in Sachsen und da liegen solche Zusammenhänge ferner als eine Reise zum Mars. Die Täter wurden 2013 wegen Totschlags zu unterschiedlich langen Haftstrafen verurteilt. Ein sechster Mann, der die Tat beobachtet, aber nicht unterbunden hatte, wurde wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Der O-Schatz-Park
Der O-Schatz-Park in der Nähe der Altstadt entstand im Rahmen der Landesgartenschau 2006. Der Eintritt zum Park ist frei. Neben Natur und verschiedenen Spielplätzen gehört zum Park auch Tiere.
Das wüste Schloss Osterlant
Es wurde um 1211/1212 als Vierflügelanlage errichtet. Wahrscheinlich war es das Jagd- und Lustschloss des Markgrafen Dietrich von Meißen. Nachdem dieser 1221 gestorben war, wurde das Schloss immer weniger genutzt und verfiel schließlich. Bereits 1379 wurde das Schloss als „wüst“, also leerstehend und verfallen, bezeichnet. Die Bezeichnung „Osterlant“ bekam die Ruine erst im 18. Jahrhundert.
Ich war jetzt schon mehrmals und zu verschiedenen Jahreszeiten dort. Es sieht wirklich immer schön verwunschen aus.
verwendete Literatur
gedruckt
Gurlitt, Cornelius, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen (= 27. Heft, Amtshauptmannschaft Oschatz [1. Teil], Dresden 1905.
Gurlitt, Cornelius, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen (= 28. Heft, Amtshauptmannschaft Oschatz [2. Teil], Dresden 1905.
Hocquél, Wolfgang, Architektur der Region Leipzig. Die Landkreise Nordsachsen und Leipzig, Leipzig 2016.
Schollmeyer, Manfred, Oschatz. Gestern & heute, Erfurt 2020.
online
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/todesopfer-rechter-gewalt/andre-kleinau/ (letzter Abruf 06.04.2024)
https://www.kirche-oschatzer-land.de/gemeinde/kirchen-orte/detail/141/1/altoschatz-kirche (letzter Abruf 06.04.2024)
https://www.oschatz-erleben.com/ (letzter Abruf 06.04.2024)
https://www.rettet-st-aegidien.de/ (letzter Abruf 06.04.2024)