Geburtstag: 1277 (urkundliche Ersterwähnung)
Einwohner: 819
Bekannt für: eine Schlacht aus der ein Volksfest wurde
Wie viele Erinnerungsstücke braucht es im öffentlichen Raum, um ein historisches Ereignis im kollektiven Gedächtnis zu halten? Und in welcher Form sollte dies gemacht werden? Genügt ein Monument aus Stein? Oder sind in den Gehweg eingelassene Grabplatten besser? Braucht eine Gesellschaft Gedenktage, an denen man mehr oder weniger pathetisch Blumenkränze niederlegt?
Die Ortschaft Großgörschen in Sachsen-Anhalt hat noch eine Form des Gedenkens gefunden, um an die erste Schlacht der Befreiungskriege zu erinnern, die am 2. Mai 1813 auf der Fläche zwischen den Dörfern Großgörschen, Kleingörschen, Kaja und Rahna stattfand. Der Verein „Scharnhorstkomitee Großgörschen e. V.“ veranstaltet jedes Jahr am ersten Wochenende im Mai das Scharnhorstfest. Dabei wird am authentischen Ort und in authentischen Kostümen die kriegerische Auseinandersetzung nachgestellt. Darum herum wird ein ganzes Volksfest organisiert, mit themenbezogenen Vorträgen und einer Dauerausstellung, sowie Zuckerwatte und Losbuden, während man dabei zusieht, wie Menschen so tun, als würden sie andere Menschen töten. Brot und Spiele, ein Klassiker der Menschheitsgeschichte. Aber ist diese Form der Erinnerungskultur nun grundsätzlich verkehrt? Wird hier der Krieg verherrlicht, bagatellisiert oder mit nationalistischem Schwachsinn aufgeladen? Diese Vorwürfe müssen sich Mitglieder solcher historischer Darstellungsgruppen des Öfteren gefallen lassen. Mögen die Vorwürfe bei dem ein oder anderen Kostümträger auf fruchtbaren Boden fallen, so ist es den Gruppen aber im Allgemeinen wichtig, dass ein historisches Ereignis so authentisch wie möglich wiedergegeben werden soll. Für die Darstellung einer Kriegsschlacht bedeutet das, dass es schmutzig wird und laut und zuweilen brutal unästhetisch. Denn der Krieg kennt keinen schönen hollywoodreifen Tod. Man wird getroffen, erstickt an seinem Blut und dann war es das.
Aus dem hohen Elfenbeinturm der ersten – größtenteils friedlichen – Welt lässt es sich natürlich am besten über andere Menschenleben urteilen. Die Zeitzeugen, die sich noch an ein kriegsverheertes Europa erinnern, sterben aus und ihre direkten Nachfahren scheinen nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt zu haben. Weder aus der älteren noch aus der jüngeren. Da werden Denkmale als Schande bezeichnet, während man auf der Suche nach der tausendjährigen deutschen Erfolgsgeschichte ist, nur um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, warum ein singuläres Ereignis immer noch solch eine gesellschaftliche Relevanz hat. Die geschichtliche Aufarbeitung durch die nachfolgenden Generationen sollte sich dabei nicht um die Schuld drehen, sondern um die Verantwortung, dass gewisse historische Ereignisse für immer singulär bleiben.
Die Erinnerung an die Vergangenheit, vor allem im öffentlichen Raum, sollte das Ziel haben die Menschen aus ihrem täglichen Rhythmus zu bringen, sie innehalten zu lassen, sie zu stören und vielleicht ein bisschen Schmerz zu verursachen. Denn nur dann kann die Reflexion beginnen. Dabei ist es gar nicht so wichtig, worüber man nachsinnt, ob über die eigene Geschichte oder die eines völlig fremden Menschen, der vor vielen Jahrhunderten lebte. Denn es gibt sie nicht, die wichtigen und die unwichtigen historischen Episoden. Alles ist mit allem verbunden und deshalb auch relevant. Oder um es kurz zu machen: Es gibt in der Menschheitsgeschichte keine Vogelschisse!
Inhaltsverzeichnis
Was gibt es da zu sehen?
Das Dorfmuseum
In dem sanierten ehemaligen Rittergutshaus befindet sich das Dorfmuseum. Das Herzstück der Ausstellung ist das Diorama, welches die Schlacht bei Großgörschen am 2. Mai 1813 zeigt. Die Herrichtung der 6.000 Zinnfiguren und der Bau der Kulisse dauerten sechs Jahre. Das Museum wird vom Scharnhorstkomitee Großgörschen e. V. betreut. In den weiteren Räumen wird die Vereinstätigkeit dargestellt, sowie die Geschichte des Ortes bzw. der Region.
Das Scharnhorstdenkmal
Gerhard von Scharnhorst (1755-1813) war Chef des Generalstabes des preußischen Heeres und reformierte zusammen mit August Neidhardt von Gneisenau (1760-1831) und Carl von Clausewitz (1780-1831) das Militär. Er wurde in der Schlacht von Großgörschen am Knie verwundet und starb wenige Wochen danach an Wundbrand. Das Denkmal wurde zur Hundertjahrfeier von Paul Juckoff (1874-1936) geschaffen. Hinter dem Denkmal erinnert eine in den Boden eingelassene Steintafel an die sterblichen Überreste, die 1972 bei Bauarbeiten gefunden wurden.
Das Denkmal für die gefallenen Preußen 1813
Dieses Denkmal wird auch Schinkel-Pyramide genannt, da es auf Befehl des Königs Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) entworfen wurde. Das etwa sechs Meter hohe Tabernakel stand ursprünglich auf dem Monarchenhügel. Nach einer Restaurierung in den 1980er Jahren wurde es aber in der Nähe des Scharnhorstdenkmals aufgestellt.
Das Denkmal für den Prinzen von Hessen-Homburg
Auch dieses Denkmal wurde von Schinkel entworfen. Es wurde an der Stelle errichtet an der Leopold von Hessen-Homburg (1787-1813) tödlich verwundet wurde und kurz darauf starb. Das Denkmal wurde 1815 (oder auch erst 1817, offenbar weiß das keiner mehr so richtig) auf Betreiben von Marianne von Preußen (1785-1846), der Schwester Leopolds, aufgestellt. 1974 musste es auf Grund von akuter Baufälligkeit entfernt werden. Im Jahr 1999 wurde eine originalgetreue Kopie aufgestellt.
Das Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
Der Monarchenhügel
Dort wo einst die der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) und der russische Zar Alexander I. (1777-1825) standen und das Schlachtgeschehen verfolgten, steht heute der Sockel, des Denkmals für die gefallenen Preußen. Um den Monarchenhügel ist nichts außer Feld und Wiese.
Etwas unterhalb der Erhebung ist der sogenannte Huldigungsstein, den die Bewohner von Großgörschen 1815 für ihren neuen König aufstellten. Denn als Ergebnis des Wiener Kongresses gehörte diese Region als Teil der Provinz Sachsen nun zu Preußen.
Die Kirche
Der 17 Meter hohe Turm des Gebäudes wurde 1150 als Wehrturm gebaut und hatte in seiner ursprünglichen Form weder Fenster noch Türen, sondern nur eine Einstiegsluke. Das Kirchenschiff wurde zwischen 1400 und 1500 gebaut.