Delitzsch

Geburtstag: 1166

Einwohner: 24.785

Bekannt für: Barockschloss, Genossenschaft und haufenweise Naschkram

Von der Großstadt Leipzig aus kann man mit Hilfe des ÖPNV in lockeren 15 bis 20 Minuten eine nordsächsische Kleinstadtperle erreichen. Schon vom Bahnhof aus lässt sich erahnen, warum die Stadt Delitzsch auch als „Stadt der Türme“ bezeichnet wird. Bei einem Rundgang durch den historischen Kern gibt es aber noch mehr zu entdecken, von einem Barockschloss über eine Schokoladenfabrik bis hin zum Deutschen Genossenschaftsmuseum.

Das Barockschloss

Von den Ursprüngen des steinernen Burgwardes aus dem 12. Jahrhundert oder der gotischen Wasserburg vom Ende des 14. Jahrhunderts ist heute nicht mehr viel zu sehen. Die Burg und später das Schloss befanden sich – bis auf eine kurze brandenburgische Episode – im landesherrlichen Besitz der Wettiner. Mit der kurfürstlichen Landesteilung von 1657 gehörte Delitzsch zum Fürstentum Sachsen-Merseburg. Dabei handelte es sich, wie bei den anderen neugegründeten Fürstentümern Sachsen-Weißenfels und Sachsen-Zeitz, um eine sogenannte Sekundogenitur, die von einer wettinischen Nebenlinie regiert wurde. Unter dem ersten Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg (1615-1691) wurde das Schloss barock umgestaltet. Da der Herzog noch vor Fertigstellung des Baues verstarb, zog die Herzoginwitwe Christiana von Schleswig-Holstein-Glücksburg (1634-1701) in Delitzsch ein. Das Barockschloss diente somit zum ersten Mal als Witwenresidenz.

Ein zweites Mal sollte das passieren, als Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg (1688-1731) verstarb. Seine Frau Herzogin Henriette Charlotte von Nassau-Idstein (1693-1734) lebte hier von 1731 bis zu ihrem eigenen Tod im Jahr 1734.

Die ehemaligen fürstlichen Gemächer der Herzoginnen sind das Highlight des Schlosses. Besonderes Augenmerk verdienen die schöngemusterten italienischen Leinentapeten aus dem Jahr 1731. Der 47 Meter hohe Schlossturm kann bestiegen werden. Bei schönem Wetter kann man sogar bis nach Leipzig sehen. Im Schloss befindet sich neben dem Museum auch die Touristeninformation.

Historischer Abriss des Barockschlosses

9./10. Jh. Errichtung einer slawischen Burganlage aus Holz
um 1150 Errichtung eines steinernen Burgwardes
1387-91 Umbau der Anlage in gotische Wasserburg
1540-58 unter Herzog Moritz von Sachsen Umbau in Renaissancestil
1689-96 unter Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg Umbau in barocken Witwensitz
1692-1701 Wittum der Herzogin Christiana von Sachsen-Merseburg
1731-1734 Wittum der Herzogin Henriette Charlotte von Sachsen-Merseburg
bis 1849 Nutzung als preußische Garnison
bis 1860 Nutzung als Artillerieschule
1860-1926 Nutzung als Frauenzuchthaus
ab 1928 Stadt kaufte Schloss; Nutzung als Museum und Bibliothek
1974-1993 Sperrung des Schlosses auf Grund beschädigter Baustruktur
1993 Nach Modernisierung Wiedereröffnung des Museums

Im Vordergrund ist der barocke Schlosspark zu sehen. Er entstand in den Jahren 1692/93 kurz nachdem Herzogin Christiana hier eingezogen war. Angelegt wurde er vom Schlossgärtner Andreas Gotthart Carl nach französischem Vorbild. Der Park ist eine der frühesten barocken Gartenanlagen in Sachsen.

Der barocke Umbau erfolgte unter der Bauleitung des Hofmaurermeisters Simon Juffan.

Der Barockgarten vom Schlossturm aus gesehen. Im Hintergrund ist auf der linken Seite der Hallesche Turm zu erkennen.

Zwei Obelisken flankieren das Haupttor zum Schloss. Unterhalb sind zwei Putten angebracht, die das sächsische Wappen tragen und den Herzogshut darüber halten.

Auf der anderen Seite halten die zwei Putten das Wappen des Herzogtums Cleve. Die sächsischen Kurfürsten beanspruchten neben anderen Herrschern die Herzogtümer Jülich, Cleve und Berg. Die Auseinandersetzung fand ihren vorläufigen Höhepunkt im Jülich-Klevischen Erbfolgekrieg von 1609. In den Besitz auch nur eines der Herzogtümer kamen die Wettiner nie.

Den Eingang zum Schloss bildet das Stifterportal. Bekrönt wird es von zwei schwarzen Löwen, die die Wappen von Sachsen und Cleve, sowie des Stifts Merseburg flankieren. In der Inschriftentafel darüber wird Christian I. von Sachsen-Merseburg als Bauherr genannt.

Der fürstliche Wohnbereich in der Beletage

 

 

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Das „Taffel-Gemach“

Wer die verschiedenen Leinentapeten im Schloss nicht schön findet, hat leider keinerlei Sinn für Ästhetik.

Das Genossenschaftsmuseum

Der bekannteste Sohn der Stadt ist Hermann Schulze-Delitzsch (1808-1883). Er war ein sehr engagierter Politiker und Sozialreformer des 19. Jahrhunderts. Als er im Jahr 1848 Mitglied der Preußischen Nationalversammlung wurde, hängte er seinem Nachnamen seinen Herkunftsort an.

Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen seiner Epoche konfrontiert, entwickelte er mit anderen Gleichgesinnten die Genossenschaft. Dabei sollten sich besonders Handwerker ganz nach Schulze-Delitzschs Motto „Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung“ eigenständig und vom Staat unabhängig organisieren und unterstützen.

Das kleine Museum widmet sich diesem eher trockenen bzw. abstrakten Thema und seinem Ideengeber auf informative Weise. Es befindet sich in einem Fachwerkhaus, in welchem 1849 die Schuhmacherassoziation gegründet wurde.

Die Genossenschaftsidee wurde im Jahr 2016 von der UNESCO zum Immateriellen Welterbe erklärt.

Entlang eines Zeitstrahles werden die ganzen gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse und Umwälzungen des 19. Jahrhunderts erläutert, die nicht nur das Denken und Handeln von Hermann Schulze-Delitzsch prägten.

Auch andere wichtige Menners beschäftigten sich im 19. Jahrhundert mit der sozialen Frage und der genossenschaftlichen Idee.

Hermann Schulze-Delitzsch hatte schon zu Lebzeiten eine großen Bekanntheitsgrad und nach seinem Tod wurden im zu Ehren viele Denkmäler u. Ä. errichtet.

Die UNESCO-Urkunde 

Das Denkmal für Hermann Schulze-Delitzsch steht in der Eilenburger Straße.

Die historische Altstadt

Die historische Altstadt von Delitzsch wird zum großen Teil von einem Wallgraben umgeben und von zwei Türmen flankiert. Beide sind noch Überreste der ehemaligen Stadtbefestigung aus dem 14. Jahrhundert.

Blick entlang der Breiten Straße zum Breiten Turm

Ein Teil der Altstadt wird immer noch vom Wallgraben umgeben.

Das Brau-Erbe-Haus

Bei diesem schönen Fachwerkhaus handelt es sich um ein Gebäude, welches im Jahr 1544 errichtet wurde. Der Name leitet sich vom Recht des Bierbrauens ab, das mit dem Haus verbunden war.

Das Brau-Erbe-Haus steht in direkter Nachbarschaft zur Stadtkirche St. Peter & Paul

Der Breite Turm

Der Breite Turm markiert den östlichen Zugang zur Altstadt. Er wurde im Jahr 1397 zusammen mit dem nicht mehr existenten Breiten Tor als Teil der Wehranlage errichtet.

Turm aus Ziegelsteinen, von unten gesehen

Der Breite Turm ist 46 Meter hoch.

Die Gefängniskirche/das Verwaltungsgebäude

Ab dem Jahr 1860 wurde das Barockschloss als Frauenzuchthaus genutzt. In diesem Zusammenhang entstanden einige Neubauten und die Gefängniskirche in direkter Nachbarschaft zum Schloss. In dem Ziegelbau befanden sich außerdem Isolier- und Arrestzellen. Das Gefängnis bestand bis zum Jahr 1926. Heute nutzt die Stadt es als Verwaltungsgebäude. Es ist also immer noch eine Art Gefängnis.

Der Hallesche Turm

Der Hallesche Turm befindet sich an der westlichen Seite der ehemaligen Wehranlage, die die Altstadt umgab. Er wurde von 1394 bis 1396 errichtet. Im Jahr 1606 bekam der Turm eine Uhr. Der eigentliche Zugang befand sich im oberen Teil des Gebäudes und war nur durch eine Außentreppe zu erreichen.

Der Hallesche Turm ist 39 Meter hoch.

Das Rathaus

Nachdem zwischen 1376 bis 1474 drei Häuser am Markt angekauft wurden, erfolgte bis 1497 ein Umbau, der zum ersten Rathaus der Stadt führte. Die heute spätklassizistische Fassade stammt aus dem Jahr 1849. Damals wurde das Gebäude um ein Stockwerk erhöht, um Platz für das Kreisgericht zu schaffen. Auf diese juristische Nutzung weist heute noch das Relief der Justitia im Dreiecksgiebel hin.

Die Stadtkirche St. Peter & Paul

Von einem ersten Kirchenbau im 12. Jahrhundert sind noch die Umfassungsmauern im Erdgeschoss erhalten. Der gotische Neubau der Kirche entstand zwischen Jahren 1404 bis 1496.

Eine Besonderheit an der Kirche sind die Figuren von Adam und Eva, die täglich um 12 Uhr den „Apfelbiss“ zeigen. Der erste Apfelbiss erfolgte im Jahr 1784 anlässlich des Peter-und-Pauls-Tag am 29. Juni. Parallel zum Festtag der beiden Heiligen fand seit dem Jahr 1400 auch immer ein Jahrmarkt in der Stadt statt. Zur Erinnerung daran, feiert man in Delitzsch noch heute jährlich (Coronajahre ausgenommen) das Delitzscher Stadtfest „Peter & Paul“.

Oberhalb der Uhr sitzen Adam und Eva

Die Delitzscher Schokoladenfabrik

Dort wo heute noch das Fabrikgebäude zu finden ist, beginnt mit Albert Böhme († 1947) und Karl Hommel im Jahr 1894 die Produktion von Süßigkeiten in Delitzsch. Im Jahr 1906 folgt dann die Gründung der Delitzscher Schokoladenfabrik AG der Gebrüder Böhme. Nach dem zweiten Weltkrieg wird die Familie Böhme enteignet und die Schokoladenproduktion verstaatlicht. Die Fabrik firmiert während der DDR-Zeit unter verschiedenen Namen: ab 1951 als VEB Mitteldeutsche Süßwarenfabrik, von 1955 bis 1960 als VEB Sachar. Von 1980 bis 1990 war der Standort Delitzsch der Leitbetrieb des VEB Kombinat Süßwaren Delitzsch. Seit dem Jahr 2008 gehört die Delitzscher Schokoladenfabrik mit zur Halloren Schokoladenfabrik.

Das Fabrikgebäude wurde um das Jahr 1930 erbaut.

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