Unterwegs auf dem Kulturweg der Vögte II

Das Vogtland ist vielleicht keine Region unendlicher Weiten, aber, was mich betrifft, ist es eine Region unbekannter Weiten. In Sachsen ist DAS Vogtland dieser kleine komische Zipfel irgendwo im westlichsten Westen des Freistaates. Manchen fällt vielleicht noch die Assoziation zu Stefanie Hertel ein oder zur Plauener Spitze. Und sonst so? Danke meiner lieben Freunde vom Blog „Vogtland-Zauber“ wusste ich wenigstens schon, dass das Vogtland sich über Sachsen hinaus bis nach Thüringen Bayern und Tschechien erstreckt und Plauen NICHT die größte Stadt in dieser Region ist (sorry, not sorry). Aber über die Historie dieses Landstriches wusste ich eigentlich so gut wie nichts. Und so begab ich mich zusammen mit dem Vogtland Tourismus auf den Kulturweg der Vögte und verbrachte ein paar spannende und verregnete Tage in diesen unbekannten Weiten.

Noch ein Servicehinweis: Ich habe mich durch zusätzliche Recherche ehrlich bemüht die Geschichte der Vögte, der Herren und der Adelsfamilie von Reuß zu entwirren. Es ist mir leider nicht gelungen, da in der Fachliteratur auch einige Unordnung bzw. Unkenntnis darüber herrscht, welcher Heinrich nun zu welcher Linie gehört und die Begriffe „Vogt von“ und „Herr von“ werden oft nicht klar voneinander getrennt. Vielen Dank für die Kopfschmerzen! Da ich nicht möchte, dass meine liebe Leserschaft einen Knoten im Hirn bekommt, so wie ich, habe ich die historischen Verortungen relativ einfach gehalten, so dass man es (hoffentlich) gut nachvollziehen kann. Im Zweifelsfall gilt für die vogtländische Geschichte, dass immer irgendein Heinrich mit dazugehöriger Ordnungszahl irgendwann irgendwo zugegen war.

 

Teil II – Die Schloss- und Residenzstadt Greiz im Thüringer Vogtland

Die Stadt Greiz ist eine wunderhübsche Kleinstadt. Nicht umsonst wird sie auch als „Perle“ bzw. „Hauptstad des Thüringer Vogtlands“ bezeichnet. Neben vielen Kulturdenkmälern in der historischen Altstadt ist Greiz besonders für seine gleich drei Schlösser bekannt: das Obere Schloss, das Untere Schloss und das Sommerpalais (letzteres wurde nicht besucht und findet deshalb hier keine Vorstellung).

Greiz wurde im Jahr 1209 erstmals urkundlich erwähnt. Die Vögte von Weida bauten hier eine erste Burganlage im 13. Jahrhundert. Durch Erbteilungen fiel Greiz immer wieder an verschiedene Vogtslinien. Aus der Linie der Vögte von Plauen entwickelte sich das Haus Reuß. Dieses Adelsgeschlecht teilte sich im Jahr 1564 in drei Linien: Reuß älterer Linie, Reuß mittlerer Linie und Reuß jüngerer Linie. Die mittlere Linie starb im Jahr 1616 aus. Die Reuß jüngerer Linie regierten das gleichnamige Fürstentum mit der Landeshauptstadt Gera. Bei der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871. bildete das Fürstentum Reuß älterer Linie den flächenmäßig kleinsten Teil. Die Reuß älterer Linie regierten ihr Fürstentum mit der Hauptstadt Greiz bis zum Jahr 1902. Da der letzte Fürst der älteren Linie, Heinrich XXIV. auf Grund einer Hirnschädigung für nicht regierungsfähig erklärt wurde, übernahm der Fürst Heinrich XIV., Regent der jüngeren Linie, die Regierung. Die Personalunion der Fürstentümer endete im Jahr 1918 mit Fürst Heinrich XXVI. Das Haus Reuß hatte durch Teilungen sehr viele Nebenlinien. Die Linie Reuß-Köstritz existiert heute noch.

Vom Schlossberg hat man auch bei grauem Himmel einen schönen Blick über die Stadt Greiz.

Das Obere Schloss

Die Geschichte erlebbar machen. Das ist eine der Aufgaben eines Museums. Und wie immer klingt dieser Satz in der Theorie schön, aber die Praxis sieht oft anders aus. Viele historische Museen, bes. in Schlössern, tun sich mit der Umsetzung einer haptischen Museumserfahrung schwer und schwören weiterhin auf die klassische – ätzend langweilige – Vitrinenschau. Das Obere Schloss in Greiz hat sich zum Glück für eine moderne Präsentation seiner Geschichte entschlossen. Und dieses Konzept funktioniert richtig gut. Die Historie der Anlage ist berührbar. Der Fahrstuhl wurde in eine Zeitmaschine verwandelt, mit der man durch die lange Geschichte des Schlosses fährt. Beginnend in den Kellergewölben des Schlosses kann man Ritterhelme anprobieren, mit Grubenlampen ausgerüstet, die Ausstellungsstücke näher beleuchten und die Geschichte der romanischen Doppelkapelle aus dem 12. Jahrhundert ergründen. Die Doppelkapelle bildet den ältesten Teil der auf einem 50 Meter hohen Sporn errichteten Burg. In den oberen Geschossen kann man unter anderem auf einem Skateboard um die alte Burg fahren. Beim Rundgang durch die Räume lernt man viele der ehemaligen Herrscher kennen und im 3-D-Film „Glanz und Gloria der Reussen“ kommt man ihnen ganz besonders nahe.

Ihre jetzige der Renaissance zuzuordnende Gestalt erhielt das Obere Schloss im 16. Jahrhundert. Im Jahr 1540 brannte der Vorgängerbau nach einem Blitzschlag ab. Von 1697 bis 1714 erhielt das Schloss eine dem Fürstentum angemessene barocke Umgestaltung. Nachdem die Fürsten im Jahr 1809 in das Untere Schloss umzogen, diente das Obere Schloss als Sitz der fürstlichen Regierungsbehörden. Bereits im 19. Jahrhundert wurden auch Wohnungen für Bürger im Schloss eingerichtet. Auch heute kann man noch im Schloss wohnen.

 

Der Blick zum Oberen Schloss vom Schlossbergweg aus

Der Blick zum Oberen Schloss vom Schlossbergweg aus

 

Der Eingang ins Museum auf dem Innenhof des Oberen Schlosses

Der Eingang ins Museum auf dem Innenhof des Oberen Schlosses

 

Die Fürstenkrone

 

Im Untergeschoss des Schlosses geht es um die (steinernen) Ursprünge des Bauwerks.

Im Untergeschoss des Schlosses geht es um die (steinernen) Ursprünge des Bauwerks.

 

Um sich in der umfangreichen Schlossgeschichte nicht zu verlieren, befindet sich auf jeder Ebene ein multimedialer Zeitstrahl zur Orientierung.

Um sich in der umfangreichen Schlossgeschichte nicht zu verlieren, befindet sich auf jeder Ebene ein multimedialer Zeitstrahl zur Orientierung.

 

Im Untergeschoss finden sich noch die Überreste der ursprünglichen Bebauung, wie dieses romanische Schlitzfenster aus der Zeit um 1200.

 

Die Zeitmaschine wurde als Fahrstuhl getarnt.

Die Zeitmaschine wurde als Fahrstuhl getarnt.

 

Die Räume sind mit wunderschönen Stuckmustern verziert.

Die Aufforderung „Bitte betreten!“ ließt man in einem Museum auch nicht so oft.

 

Ein Blick in die reußische Ahnengalerie

 

Diese Kirchenbank spielt eine große Rolle im 3-D-Film „Glanz und Gloria der Reußen“.

 

An der Tafel des Fürsten kam der Nachtisch nicht unbedingt auf einem einfachen Teller, wie dieses Schaugericht, welches komplett aus Zucker (Tragant) gefertigt wurde, zeigt. Es bildet eine Parklandschaft aus dem 18. Jahrhundert nach.

Das Untere Schloss

Das Untere Schloss liegt – wie der Name schon sagt – unterhalb des Oberen Schlosses direkt an der Weißen Elster. Das erste Untere Schloss wurde bereits im 16. Jahrhundert errichtet, brannte aber im Jahr 1802 ab. Der Wiederaufbau erfolgte im Stile der Zeit, dem Klassizismus. Mit der Fertigstellung im Jahr 1809 zog die fürstliche Familie vom Oberen Schloss ins Untere Schloss. Die Räume sind mit feinen Stuckaturen, Stofftapeten und großen Leuchtern, sowie historischen Möbeln ausgestattet und bilden die Lebenswelt ihrer adligen Bewohner ab. Da alles noch original ist, darf man leider nicht soviel anfassen. In den Jahren 1884/85 wurden die letzten Um- und Anbauten getätigt, wie zum Beispiel der Zwiebelturm, dessen Ausmalung die zwölf Monate zeigt und der heute den Zugang zum Schloss bildet. Mit der Abdankung im Jahr 1918 fielen zunächst sowohl das Obere als auch das Untere Schloss an den neugegründeten Volksstaat Reuß, später an das Land Thüringen. Der durch eine Hirnschädigung geistig zurückgebliebene letzte Vertreter der älteren Linie, Heinrich XXIV., erhielt allerdings im Unteren Schloss das Wohnrecht und lebte dort bis zu seinem Tod im Jahr 1927. Bereits zwei Jahre später eröffnete man im Schloss ein Museum.

Der Innenhof des Unteren Schlosses

 

Ein Blick in das Innere des Zwiebelturms

 

Ab 1809 lebte die reußische Fürstenfamilie im Unteren Schloss.

 

Jeder Raum widmet sich verschiedenen Mitgliedern der Adelsfamilie.

Jeder Raum widmet sich verschiedenen Mitgliedern der Adelsfamilie.

Das Harmonie Schlosscafé und Restaurant

Die Stadt Greiz bietet ziemlich viele Möglichkeiten um nicht lange hungrig zu bleiben. Wenn man allerdings nach dem Besuch des Oberen und Unteren Schlosses ein wenig fußlahm ist, bietet sich ein Besuch des Harmonie Schlosscafé und Restaurants an. Es gehört zusammen mit der Toursimusinformation und dem Museum zum Ensemble des Unteren Schlosses. Angeboten werden regionale warme Küche und sowie hausgebackene Kuchen und Torten.

Wenn man schon in Thüringen ist, dann muss man auch regional dinieren mit Sauerbraten und Thüringer Klößen.

Transparenzhinweis: Vielen Dank an den Tourismusverband Vogtland e. V., der mich zur Pressereise auf dem Kulturweg des Vögte eingeladen hat. Der Beitrag spiegelt meine eigene Meinung wider, denn die Gedanken bleiben frei.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*