Weesenstein

Geburtstag: 1318 (urkundliche Ersterwähnung des Schlosses)

Einwohner: ~ 60

Bekannt für: ein noch weitestgehend unbekanntes Schloss

Während in diesem Jahr viele vom harten Schicksal gebeutelte Menschen ihren Urlaub im In- und nicht im Ausland verbringen müssen, hatte diese Problematik in den vorangegangenen Jahrhunderten nichts von ihrer gegenwärtigen dramatischen Schärfe. Denn wenn man ein normaler Mensch mit durchschnittlichem Einkommen war, konnte man sich einen Urlaub gar nicht leisten, weder finanziell noch zeitlich. Und wenn man dem höheren Adelsstand angehörte, lag die einzige Schwierigkeit in der Entscheidung, in welchem Sommerschloss man den die wärmeren Monate des Jahres verbringen sollte. Das war keine einfache Entscheidung, denn man wollte weit genug weg sein, damit überhaupt Urlaubsstimmung aufkam. Aber der Reiseweg durfte auch nicht zu weit sein, denn falls es zu Problemen kam, musste man auch schnell genug wieder in der Hauptresidenz verfügbar sein.

Das Schloss

Auch das sächsische Herrschergeschlecht der Wettiner musste sich mit dieser Form der Urlaubsplanung auseinandersetzen. Viele große Jagd- und Lustschlossanlagen um die Residenzstadt Dresden zeugen noch heute von der praktischen Umsetzung des Wunsches nach feudaler Sommerfrische. Doch neben den bekannten Schlössern gibt es noch viele kleinere Rückzugsorte der Wettiner. Einer davon befindet sich im Müglitztal. Es handelt sich um das Schloss Weesenstein. Und das ist eigentlich alles andere als klein.

Als König Anton von Sachsen (1755-1863) das Schloss im Jahr 1830 kaufte, war es schon gut ausgestattet. Denn seinen barocken Anstrich hatte es schon von den Vorbesitzern, der Familie derer von Bünau bekommen. Sie besaßen das Schloss und die umliegenden Dörfer am längsten. Günther von Bünau d. Ä. wurde mit der Herrschaft Weesenstein im Jahr 1406 von Markgraf Wilhelm I. (1343-1407) belehnt, als Dank für seine Unterstützung in der Dohnaschen Fehde (1389-1402). In den folgenden drei Jahrhunderten wurde das Schloss von verschiedenen Mitgliedern der Familie von Bünau umgebaut.

Das Besondere an Schloss Weesenstein ist, dass das höhergelegene Bauteil am ältesten ist. Das Fundament des noch heute weit sichtbaren Turmes wurde bis ins 12. Jahrhundert zurückdatiert. Als die Trutzigkeit der Burg auf dem Berg einem repräsentativen Schloss weichen musste, baute man das das Gebäude demnach von oben nach unten um und aus. Die heutige barocke Einheitlichkeit des Schlosses ist tatsächlich nur „Fassade“. Von innen kann man die verschiedenen Bauepochen schon besser nachvollziehen, z. B. durch die unterschiedlichen Raumhöhen oder -gestaltungen.

Die Katholische Kapelle: Seit Friedrich August I. (1670-1733) waren die Wettiner Katholiken. Die barocke evangelische Schlosskirche konnte deshalb nicht genutzt werden, u. a. auch, weil sie als Gemeindekirche genutzt wurde. So ließ König Johann von Sachsen (1801-1873) im 19. Jahrhundert eine katholische Kapelle bauen. Die historistisch gestaltete Kapelle war vorher das Waschhaus des Schlosses.

Die Katholische Kapelle: Seit Friedrich August I. (1670-1633) waren die Wettiner Katholiken. Die barocke evangelische Schlosskirche konnte deshalb nicht genutzt werden, u. a. auch, weil sie als Gemeindekirche genutzt wurde. So ließ König Johann von Sachsen (1801-1873) im 19. Jahrhundert eine katholische Kapelle bauen. Die historistisch gestaltete Kapelle war vorher das Waschhaus des Schlosses.

In den Wintermonaten kann man die repräsentativen barocken und klassizistischen Räume leider nur durch eine verglaste Wand betrachten, da menschliche Atemluft für historische Räume leider schlecht ist.

In den Wintermonaten kann man die repräsentativen barocken und klassizistischen Räume leider nur durch eine verglaste Wand betrachten, da menschliche Atemluft für historische Räume eher schlecht ist.

Der Ledertapetensaal stammt aus der Zeit um 1720. Er besteht aus 116 zusammengenähten und bemalten Kalbshäuten. Bei aller Liebe für künstlerisches Handwerk ist das schon ein bisschen eklig, wenn man länger darüber nachdenkt. Oder würdet ihr euer Wohnzimmer gerne mit Haut bespannen?

Der Ledertapetensaal stammt aus der Zeit um 1720. Er besteht aus 116 zusammengenähten und bemalten Kalbshäuten. Bei aller Liebe für künstlerisches Handwerk ist das schon ein bisschen eklig, wenn man länger darüber nachdenkt. Oder würdet ihr euer Wohnzimmer gerne mit Haut bespannen?

Die Dienerkammer zeigt das rekonstruierte Zimmer des Nachtdieners. Der Raum wurde anhand des Schlossinventars von 1891 eingerichtet.

Die Dienerkammer zeigt das rekonstruierte Zimmer des Nachtdieners. Der Raum wurde anhand des Schlossinventars von 1891 eingerichtet.

Das Arbeitszimmer der Königin Amalie Auguste (1801-1877). Das Zimmer gehörte zu den Privaträumen der Königin.

Das Arbeitszimmer der Königin Amalie Auguste (1801-1877). Das Zimmer gehörte zu den Privaträumen der Königin.

Amalie Auguste (1801-1877) stammte aus dem Geschlecht der Wittelsbacher. Hier ist sie auf einer Reproduktion eines Gemäldes von Joseph Karl Stieler zu sehen. Mit dieser Art von 3-D-Gemälden präsentieren sich viele ehemalige Schlossbewohner*innen auch jüngeren Besuchergruppen. Das ist wieder einmal eine gelungene Form von Museumspädagogik.

Amalie Auguste (1801-1877) stammte aus dem Geschlecht der Wittelsbacher. Hier ist sie auf einer kreativen Reproduktion eines Gemäldes von Joseph Karl Stieler zu sehen. Mit dieser Art von 3-D-Gemälden präsentieren sich viele ehemalige Schlossbewohner*innen auch jüngeren Besuchergruppen. Das ist wieder einmal eine gelungene Form von Museumspädagogik.

Historischer Abriss

12./13. Jh. -1406 Im Besitz der Burggrafen von Dohna
1406-1772 Im Besitz der Familie von Bünau
1772-1830 Im Besitz der Familie von Uckermann
1830-1917 Im Besitz der Wettiner
1917-1934 Im Besitz Alwin Bauers
1934-1947 Im Besitz des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz; die hauptsächlich museale Nutzung begann
1940er Auslagerungsort für die Sammlung des Kupferstichkabinetts und des geplanten Führermuseums Linz
1952 Neueröffnung des Museums
seit 1992 Im Besitz des Freistaates Sachsen
Je höher man im Schloss steigt, desto älter wird die Schlossgeschichte. Und wie hier im ehemaligen Vorsaal zu sehen, werden auch die historischen Gestalten etwas rauer.

Je höher man im Schloss steigt, desto älter wird die Schlossgeschichte. Und wie hier im ehemaligen Vorsaal zu sehen, werden auch die historischen Gestalten etwas rauer.

Der Gerichtssaal hat nicht nur während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit eine Rolle gespielt. Auch die Zeitgeschichte hat sich episodenhaft darin niedergeschlagen. In diesem Raum wurden nämlich während 1940er Jahre Akten, Bestandskarteien und Kunstwerke zwischengelagert, die für das von Adolf Hitler geplante "Führermuseum Linz" vorgesehen waren. Nach dem Ende des Krieges wurden die gelagerten Akten in die Sowjetunion verbracht.

Der Gerichtssaal hat nicht nur während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit eine Rolle gespielt. Auch die Zeitgeschichte hat sich episodenhaft darin niedergeschlagen. In diesem Raum wurden nämlich während 1940er Jahre Akten, Bestandskarteien und Kunstwerke zwischengelagert, die für das von Adolf Hitler geplante „Führermuseum Linz“ vorgesehen waren. Nach dem Ende des Krieges wurden die gelagerten Akten in die Sowjetunion verbracht.

Der Rittersaal enthielt in seiner ursprünglichen Renaissancefassung wohl eine komplette Ausmalung. Da dieser Raum während des 18. Jahrhunderts umgestaltet wurde, ist davon heute nicht mehr viel übrig geblieben.

Der Rittersaal enthielt in seiner ursprünglichen Renaissancefassung wohl eine komplette Ausmalung. Da dieser Raum während des 18. Jahrhunderts umgestaltet wurde, ist davon heute nicht mehr viel übrig geblieben.

Den Hirsch- bzw. Jagdsaal nutzte die Familie von Bünau als Festsaal. Die Wettiner wandelten den Raum in ein Billardzimmer um. Zu sehen ist der Riesenbilliardtisch, bei welchem es sich allerdings um einen Nachkauf handelt. Das Original wurde nach dem Zweiten Weltkrieg entwendet.

Der Mönchsboden bildete einst den Festsaal. Nach der barocken Umgestaltung wurde er als Getreideboden benutzt. Die um 1540 entstandenen Malereien zeigen wahrscheinlich die Übergabe der Herrschaft Weesenstein von Rudolf von Bünau an seinen Sohn Heinrich.

Der Schlosshof bzw. Kirchhof bzw. ursprüngliche Burghof. Mit Blick auf den Schlossturm ist dies der zentrale Hof der Kernburg. Durch die ganzen Umbauten liegt das Niveau inzwischen allerdings 96 cm höher. Diese ganzen Umbauten und Raumverschiebungen sind ziemlich verwirrend.

Der Schlosshof bzw. Kirchhof bzw. ursprüngliche Burghof. Mit Blick auf den Schlossturm ist dies der zentrale Hof der Kernburg. Durch die ganzen Umbauten liegt das Niveau inzwischen allerdings 96 cm höher. Diese ganzen Umbauten und Raumverschiebungen sind ziemlich verwirrend.

Während des Zweiten Weltkrieges war das Schloss Weesenstein der Hauptauslagerungsort für nahezu alle Kunstschätze aus Dresden. Die Kunstwerke blieben von Kriegsschäden verschont, wurden allerdings im Mai 1945 in die Sowjetunion transportiert. Im Verlauf der 1950er Jahre kehrten die meisten Kunstwerke nach Dresden zurück. (Hier gibt's auch noch mal ein gestalterisches Lob an die Kurator*innen dieses Teils der Schlossgeschichte.)

Während des Zweiten Weltkrieges war das Schloss Weesenstein der Hauptauslagerungsort für nahezu alle Kunstschätze aus Dresden. Die Kunstwerke blieben von Kriegsschäden verschont, wurden allerdings im Mai 1945 in die Sowjetunion transportiert. Im Verlauf der 1950er Jahre kehrten die meisten Kunstwerke nach Dresden zurück. (Hier gibt’s auch noch mal ein gestalterisches Lob an die Kurator*innen dieses Teils der Schlossgeschichte.)

Die barocke Schlosskapelle wurde nicht nur von den Schlossbewohner*innen benutzt. Hier fanden auch die Dorfgemeinde ihren Platz, denn im Ort fehlte eine Gemeindekirche. Die Herrschaftsloge befindet sich im Bild oben links.

Der Landschaftsgarten

Die durch die Müglitz zweigeteilte Gartenanlage hinter dem Schloss geht in seinem Ursprung auf einen Renaissancegarten zurück. Für den barocken Um- und Ausbau sorgte, wie auch im Schloss, die Familie von Bünau. Sie erweiterten den Garten zu einer parkähnlichen Anlage, die das Schloss mit den zugehörigen Gütern verband, wie heute noch an einigen alleeartigen Dorfstraßen zu erkennen ist. Die nachfolgende Besitzerfamilie von Uckermann behielt die barocken Grundformen, die noch heute das Bild prägen, weitestgehend bei. Der sich im damaligen Trend befindende englische Stil eines Landschaftsparks wurde auch in Weesenstein verwirklicht, ist heute aber kaum mehr erkennbar. Das Hochwasser vom August 2002 zerstörte den Park nahezu vollständig. Der Wiederaufbau war im Jahr 2007 abgeschlossen. Der Park ist für Besucher*innen frei zugänglich.

Tja, so sah die schmerzhafte Realität am 12. August 2002 aus.

Tja, so sah die schmerzhafte Realität am 12. August 2002 aus.

So sieht die rekonstruierte Realität heute aus. (Service-Hinweis: Die Bilder entstanden im Februar 2020. Ich gehe davon aus, dass das Laubgehölz auch zu Blätterwuchs fähig ist und das derzeit sehr hübsch aussieht. Fahrt doch mal hin und schickt mir ein Update.)

So sieht die rekonstruierte Realität heute aus. (Service-Hinweis: Die Bilder entstanden im Februar 2020. Ich gehe davon aus, dass das Laubgehölz auch zu Blätterwuchs fähig ist und das das derzeit sehr hübsch aussieht. Fahrt doch mal hin und schickt mir ein Update.)

Ist das so etwas wie ein Teehäuschen oder ein Pavillon?

Clara Schumann, geb. Wieck war 1837 zu Gast auf Schloss Weesenstein.

Das Dorf

Das Dorf Weesenstein bildete sich unterhalb des Burg- bzw. Schlossberges. Da es – wie der Schlosspark – von der Müglitz durchflossen wird, hatten die Einwohner immer wieder mit den Auswirkungen von Hochwassern zu kämpfen. Besonders hart betroffen war die Gemeinde vom Hochwasser im August des Jahres 2002. Die Flut riss zwei Menschen in den Tod und viele Häuser einfach weg. Das dramatischste Bild, wie die Überlebenden auf einer stehengebliebenen Hausmauer saßen und auf Hilfe warteten, wird einigen der Leser*innen vielleicht noch im Kopf sein. Wirklich nachzuvollziehen sind die Ausmaße dieser Katastrophe für Besucher*innen heute kaum noch. Das Flussbett der Müglitz wurde erweitert und mit einer Mauer begrenzt. Und auch der Rest des Dorfes wirkt, bis auf ein paar Lücken, „wiederhergestellt“. Aber eben nur von außen betrachtet.

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