Geburtstag: 1280
Einwohner: 880
Bekannt für: ein hübsches Schloss samt Park
Inhaltsverzeichnis
Das Schloss
Wenn man über das Pflaster der Allee zum Schloss hinläuft und die barocke Fassade immer näher rückt, werden die Erwartungen an das ebenso barocke Innenleben immer größer. Und wenn man dann zuerst den Park besucht und danach das Schloss erkundet, setzt dies die Erwartungshaltung noch ein bisschen höher.
Aber das Schloss Lichtenwalde befindet sich nicht vor den Toren Dresdens, sondern vor denen von Chemnitz und deshalb bekommt man hier eben nicht den barocken Chic, den man sich so ertagträumt hat.
Denn das Schloss ist weder außen so „richtig“ barock, noch innen. Ebenso wie viele andere Schlösser, hat auch Lichtenwalde eine illustre Besitzer:innenfolge. Der Bau des Barockschlosses geht auf die Grafen von Watzdorf zurück, denen das Gut Lichtenwalde von 1722 bis 1772 gehörte. Sie verkauften Lichtenwalde an die Familie Vitzthum von Eckstädt, denen es bis zur Enteignung im Jahr 1945 gehörte.
Das originale Barockschloss brannte in der Nacht des 30. April auf den 1. Mai des Jahres 1905 bis auf das Erdgeschoss nieder. Kurz danach wurde es durch den österreichischen Architekten Gustav Frölich (1858-1933) originalgetreu wiederaufgebaut, jedoch nur von außen. Die Innenarchitektur des Schlosses wurde erneuert. Die – inzwischen wieder rekonstruierten – Repräsentationsräume der gräflichen Familie befinden sich im Erdgeschoss. Die damalige Ausstattung orientierte sich weniger am Stil des Vorgängerbaus, sondern vielmehr am schwerfälligen Historismus der Jahrhundertwende.
Das die Räume heute wieder so akkurat ausgestattet sind, ist hauptsächlich der Schenkung des Museologen und Kunstsammlers Georg Brühl (1931-2009) zu verdanken. Denn als die letzte Schlossherrin Hedwig Sibylla Gräfin Vitzthum von Eckstädt (1862-1951) nach Kriegsende gezwungenermaßen das Schloss verlassen musste, quartierte sich zunächst die Rote Armee dort ein. Bei deren Abzug im darauffolgenden Jahr war von der Innenausstattung des Schlosses kaum etwas übrig geblieben. (Hierbei sei angemerkt, dass Plünderungen nicht nur durch Angehörige diverser Armeen, sondern genauso durch die deutsche Bevölkerung selbst stattfanden.)
In den folgenden Jahrzehnten wurde das Schloss u. a. als Kurheim und Bildungszentrum genutzt. Erst im Jahr 1999 entschied man sich endgültig für eine museale Nutzung des zeitweise auch leerstehenden Gebäudes. In den Jahren 2006 bis 2004 wurden die Repräsentationsräume rekonstruiert. Heute lässt sich nichts mehr von der ehemaligen Verwüstung erkennen. Nur ein mutwillig zerstörtes Gemälde des kursächsischen Oberhofmalers Louis de Silvestre (1675-1760) erinnert noch daran.
Historischer Abriss
um 1230 | Entstehung einer Burganlage am linken Zschopauufer |
1447-1561 | im Besitz der Familie von Harras |
1561-1694 | kurfürstliches Kammergut |
1694-1719 | im Besitz der Herren von Bünau |
1719-1722 | im Besitz des Grafen Jakob Heinrich von Flemming |
1722-1772 | im Besitz der Grafen von Watzdorf |
1722-1726 | Bau des Barockschlosses |
1772-1945 | im Besitz der Grafen Vitzthum von Eckstädt |
1. Mai 1905 | Schlossbrand zerstört beinahe das gesamte Gebäude |
bis 1908 | Wiederaufbau des Schlosses |
13. Juli 1945 | Enteignung der letzten Schlossbesitzerin Hedwig Sibylla Gräfin Vitzthum von Eckstädt |
1945/46 | Einquartierung der Roten Armee; Plünderung des Schlosses |
ab 1948 | Nutzung als Kur- und Tbc-Heim |
ab 1972 | Nutzung als Bildungseinrichtung des staatlichen Gesundheitswesens der DDR |
seit 1990 | im Besitz des Freistaates Sachsen |
ab 1999 | museale Nutzung des Schlosses |
2006-2009 | Rekonstruktion der Repräsentationsräume |
Weitere Besitzungen der adligen Familie Vitzthum von Eckstädt waren u. a. Schloss Schönwölkau und Schloss Otterwisch.
Das Museum „Schatzkammer“
Neben den Repräsentationsräumen gibt es im Schloss noch das Museum „Schatzkammer“. Hierbei handelt es sich um eine vorwiegend ethnologische Sammlung von Ausstellungsobjekten aus Nepal, Tibet, Ostasien und Westafrika. Die Abteilung „Mythos Ostasien“ zeigt Stücke aus der Schenkung von Georg Brühl aus dem Jahr 2005. Die Abteilungen „Zwischen den Welten“ und „Dem Himmel ganz nah“ zeigen Objekte aus der Sammlung des Ethnologen Walter A. Frank (* 1927). (Ich hoffe, bei der Übernahme der verschiedenen Sammlungen wurden die Objekte nicht nur katalogisiert und restauriert, sondern auch die Provenienzen hinreichend geklärt.)
Den vierten Abschnitt der Dauerausstellung bildet die umfangreiche und sehr schöne Sammlung von Scherenschnitten, die nicht nur solche aus dem Ursprungsland China, sondern auch aus Deutschland umfasst. Den Kern dieser Sammlung bildet der Nachlass der Chemnitzerin Johanne Müller (1910-1992), welcher seitdem durch Ankäufe erweitert wurde. Die Scherenschnitte waren die erste Ausstellung, die bei der Eröffnung des Schlosses im Jahr 2001 gezeigt wurde.
Des Weiteren gibt es ständig wechselnde Sonderausstellungen zu naturwissenschaftlichen und historischen Themen.
Der Landschaftspark
Nach dem Bau des Barockschlosses entstand in den 1730ern der weitläufige Landschaftspark. Mit der Anlage des Parks beauftragte die Familie von Watzdorf einen gewissen braunschweigischen Kunstgärtner namens Wehmann. Unter den Vitzthum von Eckstädt wurde der Park nochmals dem Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts angepasst. Im Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen aus dem Jahr 1856 wird der Park wie folgt beschrieben:
„Der prachtvolle Park hat allerdings Hunderttausende gekostet, aber dafür ist er auch einer der schönsten Sachsens, obgleich sein Geschmack bisweilen an die steife französische Manier des vorigen Jahrhunderts erinnert. Lauben, Hecken und Baumgänge überraschen oft das Auge durch ihre eigenthümliche perspectivische Anlage und namentlich zeichnet sich eine wunderschöne Lindenallee aus, die vollständig geebnet eine Länge von fünfhundert Ellen hält. In früheren Zeiten zierten den Garten unzählige, in den verschiedensten Gestalten angelegte Wasserkünste, von denen man indessen die meisten eingehen liess, weil neue Parkzierden deren Verdrängung erheischten.“
Während der DDR-Zeit konnte der Park nicht in vollem Umfang gepflegt werden. Besonders die Skulpturen konnten nur schlecht in Stand gehalten werden. In den 1990ern wurde der Park wiederhergestellt. Eine besondere Attraktion sind die vielen Wasserspiele, die teilweise mit klassischer Musik unterlegt werden.
Ralf
Dieses Blog ist für mich eine echte Entdeckung. Grandiose Texte, sehr gute Bilder. Vielen Dank!
Cindy Hiller
Vielen Dank für den netten Kommentar!